Lichtblick für den Wissenschaftsstandort

Ein Meinungsbeitrag von Neil Archer, General Manager, Bristol Myers Squibb Germany

Das Jahr begann für die forschende Pharmaindustrie – sagen wir mal: bescheiden. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz war gerade in Kraft getreten. Es bedeutete zunächst einmal Abschläge für unsere Branche zugunsten der Gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe weiterer Milliarden Euro. Viel schlimmer noch aber waren die Eingriffe in das bewährte System der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel und deren Erstattung (AMNOG-Verfahren). Die Idee, Kombinationspräparate mit einem zusätzlichen, pauschalen 20-prozentigen Abschlag zu belegen, der Beschluss, Schrittinnovationen ihren Innovationscharakter abzusprechen, machten die Sparmaßnahmen zu einem innovationsfeindlichen Gesetz. Wir als pharmazeutische Unternehmen haben immer davor gewarnt, dass das auf Dauer die Versorgung kranker Menschen mit neuen Arzneimitteln verschlechtern kann. Wir haben immer davor gewarnt, dass dieses Gesetz schlecht für den deutschen Wissenschaftsstandort ist.

Pharma schafft Wohlstand

Gegen Ende des Jahres hellt sich die Stimmung auf – es ist viel passiert in der zweiten Jahreshälfte. Endlich liegen konkrete Entwürfe für Digitalgesetze vor, das Parlament diskutiert sie gerade. Und: Im Kanzleramt wurde in den letzten Monaten an einer übergreifenden Pharmastrategie gearbeitet – allein das schon ist als ein Bekenntnis zu werten, dass die Politik die forschenden Unternehmen als eine Leit- und Schlüsselindustrie sieht, die sie fördern will. Und auch die Eckdaten des kürzlich vorgestellten Medizinforschungsgesetzes zeigen in die richtige Richtung. Das ist gut so: Bei der Transformation des Wirtschaftsstandortes Deutschland können wir ein gewichtiges Wort mitreden: Mit unseren Arzneimitteln stehen wir für Gesundheit, mit unserem Kerngeschäft treiben wir Innovationen und setzen neue Standards. Als Unternehmen schaffen wir Wohlstand.

Neil Archer, General Manager, Bristol Myers Squibb Germany

Vitalkur für den Standort

Die Voraussetzungen dafür sind hervorragend. Ein Wissenschaftsniveau, über das die Welt redet, eine Infrastruktur, um die uns immer noch viele beneiden und eine lebendige Pharmaindustrie haben dafür gesorgt, dass Deutschland jahrzehntelang spitze war. Das hat sich in den letzten Jahren geändert: Regulierung führte zu Überregulierung, bei der Digitalisierung läuft das Land bisher allen Trends hinterher: Vor lauter Datenschutzbedenken haben wir vergessen, dass nur mit einer digitalisierten Medizin eine patienten-individuelle Medizin möglich ist; sie macht aus einer hervorragenden eine noch bessere Medizin.

Was wir brauchen, ist eine Vitalkur für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort. Aus meiner Sicht sind dabei zwei Punkte wichtig:

  1. Das Verfahren zur Bewertung neuer Arzneimittel, kurz: AMNOG, muss weiterentwickelt werden. In seiner jetzigen Form wirkt es für Innovationen immer mehr wie ein Hemmschuh; ein enges Korsett, das den Patientennutzen gar nicht mehr zu erkennen vermag. Offenheit für Innovationen muss der Leitstern sein, nicht das Ziel, die Erstattung von Arzneimitteln möglichst günstig hinzubekommen.
  2. Das GKV-FinStG wird überprüft – das ist im Gesetz auch festgelegt. Es muss dringend grundlegend überarbeitet werden, denn es hat die Erstattungsbedingungen für neue Arzneimittel fundamental verändert. Auch einige Ampelkoalitionäre haben den innovationsfeindlichen Charakter erkannt. Entscheidend ist aber, was bei der Überarbeitung herauskommt.
     

Die Zeit drängt

Das Gute ist: Die Probleme unseres Pharma- und Biotechnologie-Standortes sind politisch zu lösen. Wir begrüßen den Willen der Politik, genau das zu tun. Aber wir haben nicht viel Zeit dafür – die internationale Konkurrenz wächst. Viele Länder haben in der Förderung der pharmazeutischen Industrie und Biotechnologie zu Recht ein Instrument entdeckt, um ihre Wirtschaftssysteme zukunftsfähig zu machen. Die Bundesregierung wird sich an ihren Plänen für Deutschland messen lassen müssen.