„Dynamik“ ohne viel Dynamik – Zahlen bestätigen Stabilität der Arzneimittelausgaben

Neueste Zahlen bestätigen erneut die langfristige Stabilität der Arzneimittelausgaben: Ein Plädoyer für eine innovationsfreundliche statt einseitig kostenfixierte Gesundheitspolitik.

Die aktuellen Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums zu den Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 2022 zeigen erneut: Der Anteil der Arzneimittelausgaben an den gesamten Ausgaben für Gesundheit ist in Deutschland seit Jahren stabil. Tatsächlich sind die Arzneimittelausgaben 2022 gegenüber dem Vorjahr infolge der Inflation sogar real gesunken. Damit ist das seit Jahren oft hervorgebrachte Argument, die Ausgaben für Arzneimittel stellten ein Problem für die Finanzierbarkeit des öffentlichen Gesundheitswesens dar, in unseren Augen einmal mehr widerlegt. Jedoch wurde dieses Argument von Seiten des Gesetzgebers benutzt, um Ende 2022 eines der umstrittensten Gesetze im Gesundheitsbereich der vergangenen Jahrzehnte zu rechtfertigen, das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG). Dieses Gesetz verschlechtert vor allem die Rahmenbedingungen für Innovation in Deutschland - mit möglicherweise negativen Folgen für die Versorgung von Patient:innen. Die Pharmaindustrie ist eine der innovativsten und forschungsstärksten Industrien. Als Schlüsselindustrie benötigt sie stabile Rahmenbedingungen, die Innovation fördern und nicht kleinteilig maßregeln. Wir benötigen vielmehr einen Dialog, um die negativen Folgen dieses Gesetzes abzumildern und das Gesundheitswesen langfristig stabil und leistungsfähig zu gestalten.

Die kürzlich veröffentlichten Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneimittel und ihre Verteilung durch Großhandel und Apotheken sind im vergangenen Jahr um 4,8 Prozent gestiegen – auf insgesamt 48,9 Milliarden Euro. Dafür wurden 74 Millionen Versicherte in Deutschland mit Arzneimitteln versorgt. Zieht man den Anteil von Großhandel und Apotheken ab, sowie die 7,8 Milliarden, die der Staat über die Mehrwertsteuer einnimmt, bleiben rund 34 Milliarden Euro übrig. Daraus ergibt sich: Der Anteil der GKV-Gesamtausgaben, den die pharmazeutischen Unternehmen für ihre Arzneimittel erhalten, liegt bei rund 12 Prozent.

Oder anders ausgedrückt: Für gut ein Zehntel der GKV-Ausgaben stemmen die Pharmaunternehmen die komplette Versorgung der gesetzlich Versicherten mit Arzneimitteln in Deutschland. Im Jahr 2022 waren es rund 700 Millionen Arzneimittelverordnungen – pro Stunde rund 84.000.

Die Publikation der Arzneimittelausgaben der GKV wurde in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Debatte oftmals polarisierend kommentiert – aus unserer Sicht ist aber ein differenzierter Blick notwendig: Die Arzneimittelausgaben steigen zwar – wie in allen Leistungsbereichen der GKV –, aber ihr Anteil an den Gesamtausgaben der GKV ist seit vielen Jahren stabil. Das gleiche Bild ergibt sich, wenn man sich nur die patentgeschützten Präparate anschaut. Zwischenfazit: Schaut man sich die Zahlen also genau an, ist tatsächlich wenig Dynamik in der so genannten „Ausgabendynamik“, von der in der Öffentlichkeit oftmals die Rede ist.

Von „erheblicher Ausgabendynamik“ ist in der Realität wenig zu sehen

Trotzdem wird die vermeintliche „Ausgabendynamik“ im Arzneimittelbereich für die Begründung von Spargesetzen herangezogen; so wie im vergangenen Herbst, als das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) verabschiedet wurde. Dass die GKV finanziell stabilisiert werden muss, liegt auf der Hand. Die Therapie muss jedoch an den Ursachen ansetzen. Und diese liegen für uns ganz klar in einem System, das strukturell in Schieflage geraten ist.

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist innovationsfeindlich

Aus Sicht von uns forschenden Arzneimittelentwicklern leistet das Gesetz leider keinen adäquaten Beitrag zur langfristigen finanziellen Stabilisierung des Gesundheitssystems. Es hat vielmehr einen innovationsfeindlichen Charakter. Es entzieht dem Innovationskreislauf Investitionen und gefährdet den Wissenschaftsstandort Deutschland – in einer Zeit, in der andere Länder massiv in den Aufbau einer Biopharmazie als Schlüsselbranche investieren. Es setzt die schnelle Versorgung mit Arzneimittelinnovationen für Patient:innen in Deutschland aufs Spiel – in einer Zeit, in der die Fortschritte in Forschung und Entwicklung besonders stark sind. Es belastet eine Industrie, die allein zwischen 2010 und 2020 bereits mit 72 Milliarden Euro zur Stabilisierung der GKV beigetragen hat.

Übrigens: Die Arzneimittelausgaben sind vor dem Hintergrund der Inflation (2022: 6,9 Prozent) im vergangenen Jahr real gesunken. Gleichzeitig hat die Pharmaindustrie, anders als andere Branchen in Deutschland, bei Arzneimitteln, die nach dem AMNOG eine Preisverhandlung durchlaufen haben, aufgrund gesetzlicher Vorgaben keine Möglichkeit, inflationsbedingt notwendige Preisanpassungen vorzunehmen. Damit werden forschende Pharmaunternehmen zusätzlich zum GKVFinStG belastet.

Forschende Pharmaindustrie: Garant für Innovation und Wohlstand

In Deutschland ist in der öffentlichen Debatte dieser Tage viel von „Aufbruch“ und „Transformation“ die Rede; in den kommenden Jahren wird es darum gehen, die Grundlagen unseres Wohlstandes neu zu gestalten. Wir sind überzeugt: Zu einem modernen, zukunftsfähigen Land hat die biopharmazeutische Industrie viel beizutragen. Sie steht für hochqualifizierte Jobs in Unternehmen und deren Umfeld, die für entsprechende Steueraufkommen und Sozialabgaben sorgen. Sie bietet ein Arbeitsumfeld auf der Höhe der Zeit; in kaum einem Industriezweig ist der Frauenanteil so hoch. Die biopharmazeutische Industrie fördert direkt und indirekt Wissenschaft und Technologie; schließlich entstehen großartige Innovationen in Verbünden und Netzwerken, in denen Forschung und Unternehmertum aufeinandertreffen. Arzneimittel und Impfstoffe können dazu beitragen, dass Menschen gesund bleiben, gesund werden oder mit ihrer chronischen Erkrankung ein Leben führen können, das ihnen eine aktive gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht – und leisten damit einen Beitrag, die demografischen Folgen abzumildern. Eine starke Forschungslandschaft mit innovativen Unternehmen ist der beste Garant gegen die nächsten globalen Gesundheitskrisen, denn sie ermöglicht schnelles Reagieren. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Branche zudem als ausgesprochen krisenrobust erwiesen.

Kurz: Die forschende Pharmaindustrie ist eine Schlüssel-, mehr noch: eine Zukunftsbranche. Wir stehen bereit, um Deutschland wieder zu einer der Apotheken der Welt zu machen.

Das Thema Gesundheit gehört nach unserer Einschätzung ganz oben auf die politische Agenda. Wir würden ein integriertes Konzept begrüßen, das Gesundheit als essenziellen Standortfaktor anerkennt. Die Frage, wie wir das deutsche Gesundheitssystem leistungsstark, finanziell solide und zukunftsfähig halten können, ist zentral für die Innovationskraft am Biopharma-Standort Deutschland und für die Versorgung von Patient:innen. Dazu gehört aus unserer Sicht die Erkenntnis, dass Ausgaben für Gesundheit Investitionen in die Zukunft sind: In die Gesundheit der Menschen, in einen gesunden Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort. Für ein gesundes Land.

weitere artikel