Auf der Suche nach neuen Lösungen für Patientinnen und Patienten müssen Forschende von Bristol Myers Squibb manchmal über bisherige Grenzen hinausdenken. Ein Team hat sich für seine Experimente nun sogar in den Weltraum begeben. An Bord der Internationalen Raumstation ISS möchten sie prüfen, welche physikalischen Bedingungen in der Schwerelosigkeit die Herstellung großer und hochwertiger Protein-Kristalle ermöglichen. Nach ersten Experimenten im Jahr 2020 ist dies nun bereits ihre zweiten Mission ins All. Der Grundgedanke dabei: Ein kristallisiertes Therapeutikum könnte sich durch eine höhere Stabilität und konzentriertere Dosierungsstärke auszeichnen.
Above and Beyond: Unsere Forschung kehrt zurück ins All
Möglicher Nutzen für Patient:innen
Für Patientinnen und Patienten könnte dies in Zukunft beispielsweise bedeuten: Schnelle Injektionen zu Hause statt zeitaufwendiger, regelmäßiger Infusionen im Krankenhaus oder Praxis. Für Arzneimittelhersteller wiederum könnten kristallisierte Proteine, die nicht tiefgekühlt oder gekühlt gelagert werden müssen und weniger Platz einnehmen, zu erheblichen Einsparungen in der Lieferkette und möglicherweise auch zu geringeren Umweltbelastungen führen. Diese Hoffnungen liegen auf den Experimenten, die Mitte März an Bord einer Falcon 9-Rakete vom John F. Kennedy Space Center in Florida (USA) zur ISS gestartet waren. Denn dort bietet sich die ideale Mikrogravitationsumgebung für Experimente, die Forschende auf der Erde nicht nachahmen können.
Das Ziel: Aus instabilen Proteinen werden stabile Kristalle
Proteine sind komplexe Makromoleküle mit komplizierten Strukturen, die ihre jeweilige Funktion und die Bindung an andere Moleküle bestimmen. Je mehr über die Struktur eines Proteins bekannt ist, desto passendere Medikamente lassen sich entwickeln, die damit interagieren können. Allerdings sei dieses Wissen nicht leicht zu gewinnen, erklärt Robert Garmise, Associate Director im Bereich Materialwissenschaften und –technik bei Bristol Myers Squibb, denn Proteine sind nicht gerade stabil. „Wenn man ein Protein jedoch kristallisiert, bildet sich eine geordnete Struktur, die sich für eine Analyse mittels Röntgenbeugung eignet. So lassen sich die Strukturen einzelner Proteine bestimmen. Darauf basierend können Arzneimittelhersteller Medikamente gezielt einsetzen, und Biochemiker können herausfinden, wie das Protein im Körper funktioniert“, so Robert Garmise.
Die Kristallisation eines Proteins ist jedoch nicht einfach und erfordert äußerst spezielle Bedingungen in Bezug auf pH-Wert, Salzkonzentration und Temperatur. Qualität und Größe der Kristalle hängen von diesen Bedingungen ab, und viele Proteine kristallisieren auf der Erde nicht besonders gut. Die im Weltraum gezüchteten Kristalle sind in der Regel jedoch größer und weisen weniger Defekte auf als jene, die auf der Erde hergestellt werden. Das liegt unter anderem daran, dass in der Mikrogravitationsumgebung die Sedimentationsgeschwindigkeit reduziert ist: Die Moleküle bewegen sich dadurch langsamer, und die Temperatur lässt sich genauer steuern. Dies bedeutet weniger Kristalldefekte, eine verbesserte Kristallgröße und -einheitlichkeit.
Unsere Wissenschaftler:innen haben im Labor Vor-Experimente durchgeführt, um die besten Bedingungen für das Wachstum von Kristallen in dieser Umgebung zu ermitteln. Christina Cuttitta, Senior Associate Scientist im Bereich „Molecular Structure and Design, Small Molecule Drug Discovery“, hat in den letzten Monaten im Labor von Bristol Myers Squibb in Lawrenceville, New Jersey, Tausende von Kristallisationsbedingungen für die Proben untersucht, die zur ISS geschickt wurden. „Wir wollen die einzigartigen Bedingungen ermitteln, die die Kristallisation eines Proteins im Weltraum begünstigen“, erklärt sie. „Dazu könnten mehrere Tausend Experimente nötig sein, um jene Gruppe von nur drei oder vier Komponenten zu identifizieren, die die Kristallisation des Proteins bewirken.“
Durchgeführt werden die Experimente auf der ISS durch Partnerastronauten: Frank Rubio aus den USA und Sultan Alneyadi, Vertreter der Vereinigten Arabischen Emirate. Die Forschenden von Bristol Myers Squibb verfolgen die Experimente über eine Liveübertragung. Sobald die Mission abgeschlossen ist, wird dem Team das Ergebnis der Experimente vorliegen, zusammen mit Tausenden von Bildern und erfolgreich gezüchteten Kristallen. Letztere werden „geerntet“ und an ein Drittunternehmen zur Röntgenbeugungs-Analyse geschickt.
Cuttitta, die beim Start im Jahr 2020 wegen der Geburt ihres ersten Kindes nicht dabei war, freut sich besonders, dieses Jahr mit dabei zu sein: „Zu erleben, wie meine Arbeit ins All befördert wird, ist ein Höhepunkt in meiner Karriere.“
Weitere Informationen
Finanziert wird die Arbeit des Forschungsteams von CASIS, dem Center for Advancement of Science in Space, das seit 2017 als Forschungspartner des Unternehmens fungiert.