CAR-T-Zelltherapie – Innovation braucht Anerkennung
Ein Interview mit Anne Kerber, Senior Vice President, Head of Late Clinical Development, Bristol Myers Squibb
Bei der CAR-T-Zelltherapie handelt es sich um eine revolutionäre Krebsimmuntherapie, bei der T-Zellen von Patient:innen gentechnisch so verändert werden, dass sie Proteine auf bestimmten Krebszellen erkennen, binden und bekämpfen können. Studiendaten zeigen, dass sich auf diese Weise die Behandlungsergebnisse bei bestimmten Arten von fortgeschrittenem Blutkrebs erheblich verbessern lassen können.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen versprechen sich auch in anderen Bereichen viel vom therapeutischen Potenzial der CAR-T-Zelltherapie, die daher etwa bei immunvermittelten Erkrankungen wie Lupus oder Multipler Sklerose untersucht wird.
Dabei ist wichtig zu wissen: Das Verfahren unterscheidet sich von der Behandlung mit herkömmlichen Medikamenten. Den Patient:innen werden T-Zellen entnommen, ins Labor transportiert, dort gentechnisch behandelt und anschließend reinfundiert (mehr dazu hier).
Das bringt bestimmte Herausforderungen mit sich – unter anderem die Herstellung zu skalieren, die Lieferkette bereitzustellen, die regulatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen und sich auf ein Vergütungsmodell zu verständigen, das für die Gesundheitssysteme tragfähig ist und dabei die wissenschaftliche Innovation anerkennt.
Das erfordert den Dialog zwischen allen Beteiligten, einschließlich der Industrie. Insbesondere die politischen Entscheidungsträger der Europäischen Union, die aktuell das allgemeine EU-Arzneimittelrecht (EU General Pharmaceutical Legislation) überarbeiten, sollten dabei die einzigartige Komplexität der Zelltherapie berücksichtigen und den Rechtsrahmen zukunftssicher gestalten, damit Patient:innen in der EU von diesen revolutionären Behandlungen profitieren können.
In einem ausführlichen Interview teilt die Hämatologin und Onkologin Anne Kerber, heute Senior Vice President und Leiterin der späten klinischen Entwicklung bei Bristol Myers Squibb, ihr Fachwissen über die Zelltherapie – von der Entwicklung und klinischen Anwendung über die Herausforderungen der Skalierbarkeit bis hin zu Überlegungen, wie ein konstruktives politisches Umfeld dazu beitragen kann, das Potenzial der CAR-T-Zelltherapie für Patient:innen in der EU zu nutzen.
Auch in Deutschland ist aktuell eine Debatte darüber im Gang, wie die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen innovationsfreundlicher gestaltet werden können, um neue Technologien wie die CAR-T-Zelltherapie langfristig im Versorgungsalltag etablieren zu können. Ein Baustein dafür ist das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, kurz AMNOG. Es regelt die Nutzenbewertung aller Arzneimittel hierzulande, auf der letztlich die Erstattungsbedingungen basieren. Allerdings stammt das Gesetz aus einer Zeit, als Gen- und Zelltherapien noch gar keine Rolle spielten. Die moderne Medizin hat sich allerdings weiterentwickelt; die immer gezielteren Ansätze und kleineren Patientengruppen werden in der aktuellen Methodik des AMNOG-Verfahrens nicht abgebildet – umgekehrt dadurch der Nutzen von Innovationen teilweise nicht erkannt. Auch hier braucht es zeitnah einen konstruktiven Dialog, um das Potenzial solcher Ansätze für Patient:innen in Deutschland nutzbar zu machen.
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